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von Flora Nieß 6. Mai 2025

Veränderung ist allgegenwärtig – und doch scheint sie vielen Organisationen schwerer denn je zu fallen. Führungskräfte berichten, dass trotz hoher Notwendigkeit Innovation und Entwicklung auf der Strecke bleiben. Der Grund? Ihre Teams sind erschöpft, überlastet, es fehlt die Luft zum kreativen Denken oder mutigen Ausprobieren.

Was tun, wenn der Wille zur Veränderung da ist, aber die Energie fehlt? Die Antwort beginnt nicht mit einem weiteren agilen Projekt oder einem Innovationslab. Sie beginnt mit einem radikalen Weglassen . Das zeigen auch Robert I. Sutton und Huggy Rao in „The Friction Project: How Smart Leaders Make the Right Things Easier and the Wrong Things Harder“ (2024).

Überforderung als Innovationsbremse

In vielen Unternehmen herrscht eine stille Grundannahme: Mehr ist mehr. Neue agile Projekte, noch ein weekly, daily, monthly zusätzlich, …. Was eigentlich die dringend notwendige Innovation oder Veränderung bringen soll, führt dann zum Gegenteil – zu lähmender Überforderung.

Statt Neugier und Lernlust dominieren Erschöpfung und Reaktanz. Mitarbeitende halten sich ans Altbewährte, nicht aus Trägheit, sondern aus Selbstschutz. Wer täglich jongliert, hat keinen Arm mehr frei für Neues.

Die unsichtbare Grundlast sichtbar machen

Die Grundlast – also das tägliche, oft unsichtbare Arbeitspensum abseits strategischer Projekte – wird selten bewusst betrachtet. Dabei bindet sie immense Ressourcen. Führungskräfte erleben häufig selbst, wie ihr Kalender keine Lücke mehr lässt. Doch auch im Team türmen sich Aufgaben, Pflichten, Anfragen. Das Tagesgeschäft frisst jede Innovationsenergie.

Deshalb braucht es einen bewussten Perspektivwechsel: Erst wenn wir Raum schaffen, kann Neues entstehen.

Was tun? Eine gesunde Basis durch radikales Weglassen schaffen!

1. "Wofür habt ihr gerade Kapazität?"

Diese scheinbar einfache Frage verändert die Gesprächskultur. Statt permanenten Leistungsdruck zu erzeugen, lädt sie dazu ein, ehrlich auf den Energiezustand des Teams zu schauen. Führungskräfte können so erkennen: Wo ist Raum für Neues – und wo nicht?

2. Prioritäten mutig setzen – und klar kommunizieren, was nicht gemacht wird

Priorisieren bedeutet auch, bewusst Dinge nicht zu tun. Das ist kein Zeichen von Schwäche, sondern von strategischer Klarheit. Weniger Ziele, klarer Fokus – das wirkt entlastend und schafft Identifikation.

3. Projektfreie Zeiten einplanen

Innovationen brauchen nicht nur Raum, sondern auch Rhythmus. Deshalb braucht es bewusste „Freiräume“ – Phasen, in denen keine neuen Projekte starten. Diese Inseln im Alltag schaffen mentale Erholung und fördern kreative Impulse.

4. "Mut zur Lücke" fördern

Nicht alles muss perfekt oder vollständig sein. Stattdessen lohnt sich die Frage: Was genügt heute , um einen Schritt weiterzukommen? Eine Kultur, die nicht Vollständigkeit, sondern Wirkung belohnt, motiviert zum Handeln.

Innovation beginnt beim Entrümpeln

Wer Veränderung will, muss nicht immer mehr machen – sondern oft weniger. Eine gesunde Organisation ist nicht die mit den meisten Ideen, sondern die mit der klarsten Priorisierung, der größten inneren Ruhe – und „Spielräumen“ für Experiment und neuen Ideen. Beim Entrümpeln finden sich dann manchmal auch Dinge, die man schon fast vergessen hatte…

von Flora Nieß 23. April 2025

In Krisenzeiten steht alles auf dem Prüfstand – Strategien, Strukturen, Prioritäten. Veränderung muss schnell gehen, Innovation ist überlebenswichtig. Doch dabei bleibt oft das auf der Strecke, was am wichtigsten ist: der Mensch. Emotionen, Ängste, Unsicherheiten – nicht nur bei Mitarbeitenden, sondern auch im Führungsteam – finden kaum Raum. Und genau hier kommt ein zentrales Konzept ins Spiel: psychologische Sicherheit .

Was ist psychologische Sicherheit?

Psychologische Sicherheit bedeutet, dass Menschen in einem Team das Gefühl haben, sich ohne Angst vor negativen Konsequenzen äußern zu können. Sie trauen sich, Fehler zuzugeben, Fragen zu stellen, Ideen einzubringen – selbst dann, wenn sie ungewöhnlich oder riskant erscheinen. In einem Umfeld psychologischer Sicherheit geht es nicht um Harmonie, sondern um offene, ehrliche Kommunikation und Vertrauen (für mehr: Amy C. Edmondson: The Fearless Organization, 2018).

Warum ist psychologische Sicherheit gerade in Krisenzeiten entscheidend?

Krisen erhöhen den Druck. Entscheidungen müssen schnell getroffen, Prozesse radikal hinterfragt, neue Wege beschritten werden. Das bedeutet: Innovation braucht Mut – aber Mut entsteht nur, wenn das Klima erlaubt, auch zu scheitern. Veränderung erzeugt Unsicherheit – wer sich nicht sicher fühlt, wird blockiert statt kreativ. Und Lernen erfordert Offenheit – insbesondere dann, wenn sich Rahmenbedingungen ständig ändern. Psychologische Sicherheit wirkt hier wie ein Katalysator. Sie ermöglicht es Menschen, in Veränderung nicht nur zu reagieren, sondern aktiv zu gestalten.

Wie können Führungskräfte psychologische Sicherheit in unsicheren Zeiten fördern?

Der erste Schritt beginnt bei der Führung selbst. Wer psychologische Sicherheit fördern will, muss sich seiner eigenen Wirkung (und Macht) bewusst sein. Führungskräfte, die transparent mit ihren Gedanken und Zweifeln umgehen, laden andere ein, ebenfalls offen zu sprechen. Das Eingeständnis eigener Fehler wird so zum Signal: „Hier darf man lernen.“ Genauso wichtig ist die eigene emotionale Stabilität. In der Komplexität und Geschwindigkeit von Krisensituationen hilft nur eines: regelmäßige Selbstreflexion und achtsame Selbstfürsorge. Nur wer für sich sorgt, kann für andere da sein. Und Führung ist vor allem Enabling.

Doch psychologische Sicherheit ist keine Einzelleistung. Im Führungsteam selbst entsteht sie durch Vertrauen und gegenseitige Rückendeckung. Nur wenn Führungskräfte untereinander offen sprechen können – auch über Unsicherheiten, Spannungen oder Konflikte – wird das Team zu einem echten Sicherheitsanker für die Organisation. Eine gelebte Feedbackkultur, in der Rückmeldungen ehrlich und konstruktiv sind, unterstützt dieses Vertrauen. Sie schafft einen Raum, in dem kollektives Lernen möglich wird – nicht nur in der Theorie, sondern im täglichen Tun.

Auf dieser Basis können Führungskräfte dann auch psychologische Sicherheit im Team der Mitarbeitenden aktiv stärken. Zuhören ist dabei eines der mächtigsten Werkzeuge. Wer ernsthaft fragt, was Menschen bewegt – emotional wie fachlich – signalisiert Wertschätzung und Interesse. Es geht darum, Menschen mit ihren Sorgen, Ideen und Bedürfnissen wahr- und vor allem ernstzunehmen. Mut zur Veränderung entsteht nicht durch Druck, sondern durch Unterstützung und Sicherheit. Führung bedeutet hier, Räume zu schaffen, in denen Experimente erlaubt sind, Irrtümer keine Schwäche darstellen und Lernen selbstverständlich dazugehört.

Schließlich sollten auch die Strukturen und Prozesse einer Organisation psychologische Sicherheit ermöglichen – und nicht behindern. Fehlerfreundliche Systeme wie After-Action-Reviews oder Lernlogs helfen Teams dabei, Erfahrungen auszuwerten, ohne Schuldzuweisungen. Kollaboration statt Konkurrenz sollte gefördert werden – durch Anreizsysteme, die gemeinsames Lernen und Zusammenarbeit belohnen. Ebenso zentral sind schnelle Feedbackschleifen: In Zeiten schneller Veränderung ist es essenziell, dass Rückmeldungen nicht versanden, sondern unmittelbar aufgenommen und integriert werden.

So paradox es klingt: Sicherheit ist die Basis für Veränderung

Gerade in turbulenten Zeiten ist psychologische Sicherheit ein zentraler Hebel für Innovation, Zusammenarbeit und nachhaltige Veränderung. Führungskräfte, die sie bewusst gestalten, schaffen nicht nur leistungsfähigere Teams – sie bauen Organisationen, die auch in Krisenzeiten lernen, wachsen und Zukunft gestalten können.

von Flora Nieß 30. März 2025

Innovation beginnt nicht mit einer Entscheidung – sie beginnt mit einer Vorstellung. Einer Idee, einem inneren Bild davon, wie etwas anders, besser, zukunftsfähiger sein könnte. Bevor Menschen handeln, müssen sie sich etwas vorstellen können. Diese Fähigkeit zur Imagination ist kein „weicher“ Faktor im Innovationsprozess, sondern eine zentraler Treiber. In unserer Arbeit mit Führungskräften nutzen wir die Imagination bewusst, um Innovation und Change voranzubringen.


Warum Bilder mehr bewirken als Worte

Bilder – ob reale Beispiele oder innere Visionen – aktivieren das Gehirn auf eine tiefgreifende Weise. Sie sprechen nicht nur das rationale Denken, sondern auch emotionale, intuitive und körpernahe Ebenen an. Sie helfen, Komplexität zu reduzieren, machen das Unbekannte vorstellbar und motivieren zum Handeln. In Veränderungsprozessen fungieren sie als innerer Kompass und verbinden Einzelne wie Teams mit einer gemeinsamen Richtung.

 

Die theoretischen Grundlagen der Imagination im Innovationsprozess

Dass innere und äußere Bilder eine zentrale Rolle in Innovationsprozessen spielen, ist wissenschaftlich gut fundiert. Verschiedene Forschungsrichtungen – von der Kognitionspsychologie über die Neurowissenschaften bis hin zur Management- und Innovationsforschung – liefern Erklärungen dafür, warum Imagination so wirksam ist.

 

Lawrence Barsalou zeigte bereits Ende der 1990er-Jahre, dass unser Gehirn bei der Vorstellung zukünftiger Situationen oder Handlungen dieselben neuronalen Netzwerke aktiviert wie bei deren tatsächlicher Ausführung. Dieses Phänomen, bekannt als mentale Simulation , macht deutlich: Wenn wir uns etwas vorstellen, proben wir es gewissermaßen in unserem Kopf. Auf diese Weise wird Imagination zu einem kognitiven Trainingsraum für neues Denken und zukünftiges Handeln.

 

Ergänzt wird diese Perspektive durch Studien zur sogenannten episodischen Zukunftsimagination (engl. episodic future thinking ). Dabei geht es um die bewusste Vorstellung konkreter Zukunftsszenarien. Menschen die diese Fähigkeit gezielt einsetzen, zeigen eine größere Bereitschaft, kreative Entscheidungen zu treffen, Risiken einzugehen und langfristige Strategien zu entwickeln. Indem sie sich mögliche Zukünfte bildhaft ausmalen, erweitern sie ihren Denkraum und eröffnen neue Handlungsoptionen.

 

Auch in der Organisationsforschung findet sich eine starke theoretische Verankerung der Imagination – insbesondere in der Sensemaking-Theorie von Karl Weick. Veränderungsprozesse, so Weick, sind nur dann erfolgreich, wenn Menschen in der Lage sind, Sinn in einer unübersichtlichen Situation zu konstruieren. Zukünftige Zustände müssen nicht nur rational verstanden, sondern auch erzählt und verbildlicht werden. Bilder spielen dabei eine zentrale Rolle: Sie helfen, Orientierung zu schaffen, Unsicherheit zu reduzieren und kollektive Anschlussfähigkeit herzustellen.

 

Schließlich zeigt sich die Bedeutung von Bildern auch in der Praxis aktueller Innovationsmethoden – etwa im Design Thinking . Hier wird visuelles Denken ganz bewusst eingesetzt, um komplexe Probleme greifbar zu machen, Ideen sichtbar zu machen und Kommunikation innerhalb von Teams zu erleichtern. Visualisierungen, Prototypen und Storyboards machen nicht nur abstrakte Konzepte konkret, sondern fördern auch emotionale Identifikation und ein gemeinsames Verständnis.

 

All diese theoretischen Ansätze weisen auf dasselbe Prinzip hin: Imagination ist mehr als eine kreative Fähigkeit – sie ist ein strategisches Werkzeug. Wer sie gezielt nutzt, schafft die Grundlage für echte, nachhaltige Innovation. Führungskräfte, die sich eine Zukunft bildlich vorstellen können und gleichzeitig erleben durften, dass Veränderung möglich ist, führen Changeprozesse mit mehr Klarheit, Empathie und Energie.

 

Die Rolle von Bildern im Changeprozess

Auch jenseits der Phase der Ideenentwicklung wirken Bilder weiter. In Veränderungsprozessen übernehmen sie eine orientierende, stabilisierende und verbindende Funktion:

  • Sie bieten einen emotionalen Anker, wenn Unsicherheit wächst.
  • Sie motivieren, wenn der Weg zur Umsetzung herausfordernd wird.
  • Sie verbinden, wenn neue Narrative und gemeinsame Ziele gebraucht werden.

Ein starkes inneres Bild der Zukunft kann zur „inneren Landkarte“ werden, die Einzelnen und Teams hilft, auch durch schwieriges Terrain zu navigieren. Visuelle Orientierung schafft emotionale Klarheit – und genau diese ist entscheidend, wenn Wandel gelingen soll.

 

Imagination als Innovationskraft

Imagination ist in diesem Sinne der Ursprung von Innovation. Wer sich eine andere Zukunft bildhaft vorstellen kann, ist besser in der Lage, Neues zu denken, mutige Entscheidungen zu treffen und andere für Veränderung zu gewinnen. Ob in der Entwicklung von Innovationen oder in der Umsetzung von Changeprozessen: Bilder entscheiden mit darüber, ob Transformation gelingt.

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