Neues braucht Sicherheit
Wie Führungskräfte Vertrauen und Innovation in Krisen fördern können

In Krisenzeiten steht alles auf dem Prüfstand – Strategien, Strukturen, Prioritäten. Veränderung muss schnell gehen, Innovation ist überlebenswichtig. Doch dabei bleibt oft das auf der Strecke, was am wichtigsten ist: der Mensch. Emotionen, Ängste, Unsicherheiten – nicht nur bei Mitarbeitenden, sondern auch im Führungsteam – finden kaum Raum. Und genau hier kommt ein zentrales Konzept ins Spiel: psychologische Sicherheit .
Was ist psychologische Sicherheit?
Psychologische Sicherheit bedeutet, dass Menschen in einem Team das Gefühl haben, sich ohne Angst vor negativen Konsequenzen äußern zu können. Sie trauen sich, Fehler zuzugeben, Fragen zu stellen, Ideen einzubringen – selbst dann, wenn sie ungewöhnlich oder riskant erscheinen. In einem Umfeld psychologischer Sicherheit geht es nicht um Harmonie, sondern um offene, ehrliche Kommunikation und Vertrauen (für mehr: Amy C. Edmondson: The Fearless Organization, 2018).
Warum ist psychologische Sicherheit gerade in Krisenzeiten entscheidend?
Krisen erhöhen den Druck. Entscheidungen müssen schnell getroffen, Prozesse radikal hinterfragt, neue Wege beschritten werden. Das bedeutet: Innovation braucht Mut – aber Mut entsteht nur, wenn das Klima erlaubt, auch zu scheitern. Veränderung erzeugt Unsicherheit – wer sich nicht sicher fühlt, wird blockiert statt kreativ. Und Lernen erfordert Offenheit – insbesondere dann, wenn sich Rahmenbedingungen ständig ändern. Psychologische Sicherheit wirkt hier wie ein Katalysator. Sie ermöglicht es Menschen, in Veränderung nicht nur zu reagieren, sondern aktiv zu gestalten.
Wie können Führungskräfte psychologische Sicherheit in unsicheren Zeiten fördern?
Der erste Schritt beginnt bei der Führung selbst. Wer psychologische Sicherheit fördern will, muss sich seiner eigenen Wirkung (und Macht) bewusst sein. Führungskräfte, die transparent mit ihren Gedanken und Zweifeln umgehen, laden andere ein, ebenfalls offen zu sprechen. Das Eingeständnis eigener Fehler wird so zum Signal: „Hier darf man lernen.“ Genauso wichtig ist die eigene emotionale Stabilität. In der Komplexität und Geschwindigkeit von Krisensituationen hilft nur eines: regelmäßige Selbstreflexion und achtsame Selbstfürsorge. Nur wer für sich sorgt, kann für andere da sein. Und Führung ist vor allem Enabling.
Doch psychologische Sicherheit ist keine Einzelleistung. Im Führungsteam selbst entsteht sie durch Vertrauen und gegenseitige Rückendeckung. Nur wenn Führungskräfte untereinander offen sprechen können – auch über Unsicherheiten, Spannungen oder Konflikte – wird das Team zu einem echten Sicherheitsanker für die Organisation. Eine gelebte Feedbackkultur, in der Rückmeldungen ehrlich und konstruktiv sind, unterstützt dieses Vertrauen. Sie schafft einen Raum, in dem kollektives Lernen möglich wird – nicht nur in der Theorie, sondern im täglichen Tun.
Auf dieser Basis können Führungskräfte dann auch psychologische Sicherheit im Team der Mitarbeitenden aktiv stärken. Zuhören ist dabei eines der mächtigsten Werkzeuge. Wer ernsthaft fragt, was Menschen bewegt – emotional wie fachlich – signalisiert Wertschätzung und Interesse. Es geht darum, Menschen mit ihren Sorgen, Ideen und Bedürfnissen wahr- und vor allem ernstzunehmen. Mut zur Veränderung entsteht nicht durch Druck, sondern durch Unterstützung und Sicherheit. Führung bedeutet hier, Räume zu schaffen, in denen Experimente erlaubt sind, Irrtümer keine Schwäche darstellen und Lernen selbstverständlich dazugehört.
Schließlich sollten auch die Strukturen und Prozesse einer Organisation psychologische Sicherheit ermöglichen – und nicht behindern. Fehlerfreundliche Systeme wie After-Action-Reviews oder Lernlogs helfen Teams dabei, Erfahrungen auszuwerten, ohne Schuldzuweisungen. Kollaboration statt Konkurrenz sollte gefördert werden – durch Anreizsysteme, die gemeinsames Lernen und Zusammenarbeit belohnen. Ebenso zentral sind schnelle Feedbackschleifen: In Zeiten schneller Veränderung ist es essenziell, dass Rückmeldungen nicht versanden, sondern unmittelbar aufgenommen und integriert werden.
So paradox es klingt: Sicherheit ist die Basis für Veränderung
Gerade in turbulenten Zeiten ist psychologische Sicherheit ein zentraler Hebel für Innovation, Zusammenarbeit und nachhaltige Veränderung. Führungskräfte, die sie bewusst gestalten, schaffen nicht nur leistungsfähigere Teams – sie bauen Organisationen, die auch in Krisenzeiten lernen, wachsen und Zukunft gestalten können.





